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Geschäftsberichts-Apps (GB-Apps) sind vor allem deshalb attraktiv, weil sie die Vorteile klassischer Print-Berichte mit den Vorzügen digitaler Formate kombinieren: sie sind offline verwendbar, können bequem transportiert werden und nutzen im Idealfall gleichzeitig das komplette Spektrum hypertextueller, interaktiver und multimedialer Möglichkeiten. Mehr noch als optimierte Web-Berichte können sie auf diese Weise eine imageprägende Funktion erfüllen.
Apps sind ein klarer Treiber des Mobil-Trends und auch an der Geschäftsberichts-Branche ist dieser „Boom“ nicht spurlos vorübergegangen: Immer mehr Unternehmen bieten neuerdings Tablet-Versionen ihrer Finanzberichte an – und zwar fast ausschließlich für Apples iPad. Nach einer nexxar-Studie veröffentlichten 2012 bereits zwölf Prozent der 150 größten Börsenkonzerne im deutschsprachigen Raum eine App ihres letzten Geschäftsberichts – und das mit steigender Tendenz.
Anwendungsfall (use case): App
Einmal installiert, sind Apps offline nutzbar. Auf dem Tablet können Unternehmensberichte jederzeit, auch unterwegs rezipiert werden – etwa im Flugzeug, im Hotelzimmer oder am Bahnhof. Mit Apps erreichen Unternehmen neue, besonders medienaffine Stakeholdergruppen, die gerade auf dem iPad nicht nur Informationen, sondern auch Interaktionen und Multimedialität erwarten. Durch die Verbreitung über iTunes erschließen Unternehmen einen zusätzlichen Vertriebskanal für ihre Berichte. Die Nutzung der Berichte ist von längerer Dauer, auch Updates neuer Berichte werden von einem Großteil der Nutzer eingespielt. Gerade diese im Vergleich zum optimierten Web-Bericht deutlich höhere Loyalität der Nutzer verstehen wir als große Chance, um in der immer kurzlebigeren Aufmerksamkeitsökonomie zu punkten. Eine gute Berichts-App erzeugt einen Mehrwert durch Interaktion, begeistert mit einem intuitiven Bedienkonzept und erfüllt somit eine imageprägende Funktion.
PDF vs. HTML
Grundsätzlich können bei bestehenden GB-Apps zwei Typen unterschieden werden: PDF- und HTML-basierte Applikationen. Während es sich bei ersteren in der Regel um eine 1:1 Kopie der PDF-Version des gedruckten Geschäftsberichts zum „Durchblättern“ auf dem iPad handelt, bauen letztere auf einem bereits vollständig in HTML umgesetzten Online-Report auf. Das Verhältnis zwischen HTML- und PDF-Apps ist dabei noch klar verteilt: Nur ein Bruchteil der bestehenden GB-Apps basieren aktuell auf dem Hypertext-Format. Und das, obwohl HTML-basierte Apps gegenüber ihren PDF-Pendants klare Vorteile besitzen: Während nämlich Hypertextualität, Interaktivität und Non-Linearität in HTML schon per se gegeben sind, müssen sie in einem PDF-Dokument nachträglich hinzugefügt werden. PDF-basierte Apps benötigen in der Regel mehr Speicherkapazität und verfügen über keine angemessene Zoom-Funktion für Texte und Bilder. Auch die Einbettung von Links, Videos oder JavaScript-Animationen ist bei der Entwicklung dieser Apps seltener, da sie mit deutlich mehr Aufwand verbunden sind.
Große Potenziale, oft nicht ausgeschöpft
Die schwierige Handhabung von PDF-basierten Apps ist auch ein Grund dafür, dass die medienspezifischen Möglichkeiten seltener ausgeschöpft werden: dynamische Charts, Videoelemente, und JavaScript-Animationen stellen noch eher eine Ausnahme, als die Regel dar. Bei aus PDF-Dateien generierten Apps zum „Durchwischen“ auf dem Tabletscreen, muss man zudem deutliche Abstriche in puncto Usability machen (siehe oben).
Gerade in den multimedialen Darstellungsmöglichkeiten von Tablet-Apps besteht allerdings ein zentraler Vorteil gegenüber mobil-optimierten Web-Versionen: Auf Tablet-PCs steht ein – verglichen mit Smartphones – relativ großes Display zur grafischen Inszenierung der Berichte zur Verfügung. Nach dem Download verursachen integrierte Animationen, Bilder oder Videoelemente keine zusätzlichen Ladezeiten mehr. Vor allem aus Imagegesichtspunkten oder zur Ansprache besonders medienaffiner Stakeholdergruppen eignen sich Geschäftsberichts-Apps deshalb besonders gut.
Beispiel: Legal & General – Annual Report als iPad-App

Legal & General: HTML-basierte App für das iPad (iTunes)
Beispiel: Legal & General – Annual Report als iPad-App

AkzoNobel: HTML-basierte App für das iPad (iTunes)
Nutzung (noch) gering
Nach Angaben des Branchenverbands BITKOM nahm der Absatz von Tablet-Computern in Deutschland allein im Jahr 2011 um 29 Prozent auf drei Millionen Stück zu. Es ist davon auszugehen, dass Tablets in den kommenden Jahren auch im Bereich der Investor Relations weiter an Bedeutung gewinnen, was grundsätzlich für Geschäftsberichts-Apps spricht.
Unternehmen müssen sich allerdings darüber im Klaren sein, dass GB-Apps momentan noch eine kleine Gruppe – vermutlich technologieaffiner – Stakeholder ansprechen. Nach Branchenschätzungen liegen die Downloadzahlen von gut beworbenen Geschäftsberichts-Apps nach einem Jahr im vierstelligen Bereich.
Herausforderung: Alternativen zum iPad
Für die Zukunft der Berichts-App müssen sich Entwickler indes mit einer weiteren Herausforderung befassen: Bislang werden Apps fast ausschließlich für Apples iPad entwickelt, während Versionen für andere Tablets nur selten bereitstehen. Ein möglicher Ausweg aus dieser Problematik könnten Webapps sein: Diese Apps laden die Inhalte eines Berichts über den Browser der Endgeräte, und sind somit plattformunabhängig. Dabei sehen Webapps idealerweise nicht wie Internetseiten aus, sondern weisen weiterhin einen typischen „App-Charakter“ auf. Eine Anbindung an das Web ist für ihre Nutzung nicht zwangsläufig nötig: Webapps können auch so programmiert werden, dass sie Inhalte nach der Installation für die Offline-Nutzung herunterladen und speichern.