Welchen Anforderungen müssen digitale Nachhaltigkeitsberichte nun genügen? In Studien und Best-Practice-Rankings findet sich mittlerweile ein ganzes Sammelsurium an Kriterien, mit denen diese Frage beantwortet werden soll. Während es sich dabei überwiegend um inhaltliche Anforderungen handelt, stehen in diesem Beitrag ausschließlich die online-spezifischen Kriterien im Fokus. Sie lassen sich grob in fünf Kategorien einteilen:
Zugänglichkeit & Orientierung
Zugänglichkeit (Accessibility) und Orientierung stellen gewissermaßen zwei „Grundanforderungen“ an jeden guten Online-Nachhaltigkeitsbericht dar: Der GRI zufolge sollen Stakeholder Informationen „ohne unzumutbaren Aufwand mit Hilfe von Inhaltsverzeichnissen, Sitemaps, Links oder anderen Suchhilfen finden“ [GRI06]. Durchdachte Online-Berichte zeichnen sich diesbezüglich u.a. durch möglichst klare Navigations-Strukturen und die externe Auffindbarkeit ihrer Inhalte in Suchmaschinen aus. Zusammenfassend lassen sich in dieser Kategorie folgende onlinespezifische Anforderungen festhalten:
Aufbau der Startseite
Die Startseite stellt den zentralen Einstiegspunkt eines Nachhaltigkeitsberichts dar und sollte Nutzer schnell und prägnant auf die wichtigsten Berichtselemente aufmerksam machen – dazu zählen im Bericht behandelte Schlüsselthematiken, das Vorwort oder auch wichtige Downloads. Diese Informationen können beispielsweise in Slider, Teaser und Tagclouds verpackt werden und sollten idealerweise grafisch unterstützt werden. Beispiele hierfür liefern die 2011er Nachhaltigkeitsberichte der Bayer AG oder der Volvo Group.
Einsatz von Navigationshilfen
Navigationshilfen wie Sitemaps oder Breadcrumbs erleichtern parallel zu einer durchdachten Hauptnavigation die Auffindbarkeit von Informationen. Durch Tagclouds und Teaser kann zudem die Aufmerksamkeit auf Einzelthematiken gelenkt werden.
Einbettung des GRI-Index
Der GRI-Index stellt in Online-Nachhaltigkeitsberichten eine besondere Form der Navigationshilfe dar. Idealerweise beinhaltet er nicht nur in- und externe Links zu den Seiten, auf denen die einzelnen GRI-Indikatoren behandelt werden, sondern verlinkt auf weiterführende Downloads (z.B. Broschüren oder Verhaltenskodizes). Im Web kann einzelnen Indikatoren zudem per Mouseover ein Erklärungstext beigefügt werden.
Im Corporate Responsibility Bericht 2011 der Linde Group wurde einzelnen GRI-Indikatoren beispielsweise per Mouseover ein Erklärungstext beigefügt. Der Erfüllungsstatus wird zudem grafisch hervorgehoben. Ebenfalls empfehlenswert ist eine Rückverlinkung der einzelnen Indikatoren wie sie sich im Sustainability Report 2011/2012 von WPP findet: Auf den Content-Seiten werden hier die jeweils behandelten Indikatoren angegeben und auf den GRI-Index verlinkt.
Vernetzung von Inhalten
Das Setzen von Hyperlinks ist ein zentrales Potenzial von digitalen Berichten, wird aber nur selten völlig ausgeschöpft: Durch Verlinkungen im Bericht werden Nutzer einerseits auf thematisch passende Informationen in selbigem aufmerksam gemacht („related Links“), andererseits können externe Links aber auch zur Belegung von Quellen dienen. Vor allem wenn es darum geht, die Nachhaltigkeitsberichterstattung in die übergeordnete Unternehmensentwicklung einzuordnen, können Links die nötigen Wechselbeziehungen zwischen einzelnen Thematiken schaffen [BGH07]. Sehr gut wird die inhaltliche Vernetzung mit Hyperlinks beispielsweise im Sustainability Report 2010/11 von Johnson Matthey umgesetzt.
Funktionalität von Suchmöglichkeit
Nutzer sollten generell in der Lage sein, einzelne Suchanfragen auf den Online-Nachhaltigkeitsbericht zu beschränken [BGH07]. Vor allem im Detail unterscheiden sich die Suchfunktionen in Online-Berichten allerdings oft drastisch: Idealerweise wird den Nutzern die Suche nach Inhalten durch Features wie Find-as-you-type und die Hervorhebung von Fundstellen im Text erleichtert.
Auffindbarkeit in Suchmaschinen
Zur Auffindbarkeit von Nachhaltigkeitsberichten gehört auch, dass deren Inhalte möglichst gut über Google und Co. erreichbar sind. Hierbei kommt dem Thema der Suchmaschinenoptimierung (SEO) eine wichtige Rolle zu.
Einbindung in den Kommunikationsmix
Online-Nachhaltigkeitsberichte sollten möglichst gut mit den bestehenden Instrumenten der Unternehmenskommunikation vernetzt werden. Dazu zählt etwa die permanente Verlinkung der Berichte vom Pressebereich oder der Investor-Relations-Rubrik. Erfahrungen zeigen außerdem, dass eine anfängliche Verlinkung eines Berichts von der Startseite der Corporate Website die Zugriffe (und damit die Aufmerksamkeit) für diesen deutlich erhöhen kann.
Archivierung & Vorjahresvergleich
Im Sinne der Transparenz sollten frühere Online-Berichte über ein Archiv verfügbar und ggf. durchsuchbar sein. Zudem sollten Berichtsteile wenn möglich immer einen Link auf die korrespondierenden Berichtsteile vom Vorjahr enthalten, so dass die Vergleichbarkeit der Inhalte den Stakeholdern einfacher ermöglicht wird.
Barrierefreiheit
Nachhaltigkeitsberichte sind keine bloßen Informationsträger, sondern häufig selbst ein Ausdruck unternehmerischer Verantwortung. Der Einhaltung von Standards der barrierefreien Online-Nutzung kommt deshalb eine besondere Bedeutung bei. Dazu zählen u.a. die Vergabe von erklärenden Alt-Texten für Bilder und Grafiken, lesbare Linktexte, eine klar definierte Dokumentensprache, angemessene Kontrasteinstellungen sowie eine valide HTML-Syntax.
Visualisierung & Multimedia
Nachhaltigkeitsberichte sind fachlich anspruchsvolle Publikationen. Sie basieren auf Expertenwissen und beinhalten teils komplexe Zusammenhänge zwischen ökonomischen, sozialen und ökologischen Entwicklungen, deren Erschließung gerade für Laien nicht immer einfach ist. Während Infografiken, Schaubilder und Animationen dazu beitragen können, diese Zusammenhänge einfacher zu vermitteln, sorgen andere multimediale Elemente für Emotionalität, Personalisierung und Glaubwürdigkeit [BGH07].
Schaubilder und Grafiken
Während sich eigens für das Web entwickelte Schaubilder zur Darstellung komplexer Zusammenhänge, Abläufe oder organisatorischer Strukturen eignen, können Grafiken (z.B. Kreisdiagramme) zur schnellen Erfassung von Unternehmensentwicklungen, Daten und Fakten beitragen [GH11]. Idealerweise werden die Grafiken dabei nicht einfach aus dem Print-Bericht übernommen, sondern eigens fürs Web konzipiert.
Animationen und Interaktive Elemente
Interaktive Elemente werden in digitalen Nachhaltigkeitsberichten besonders gerne eingesetzt, um die Textlastigkeit der Berichte zu entschärfen. Interaktive Landkarten oder Roadmaps sorgen für Abwechslung in der Rezeption und erhöhen zudem die Aufmerksamkeit für einzelne Berichtsthematiken. Beispiele dafür finden sich im Corporate Responsibility Bericht 2011 der Telekom oder auch bei Wolters Kluwer. Recht kreativ wurde auch die Einstiegseite im Corporate Responsibility Report von IHG animiert.
Video und Bewegtbild
Videobotschaften sorgen nicht nur für Aufsehen, sondern können auch zur Erläuterung von Kernpunkten der unternehmerischen Nachhaltigkeitsstrategie beitragen. Unter Umständen kann eine ergänzende Videobotschaft des Vorstandsvorsitzenden eine Strategie prägnanter und vor allem glaubwürdiger vermitteln, als ein herkömmlicher Vorstandsbrief in Textform [BGH07]. Daimler nutzt im Nachhaltigkeitsbericht 2011 beispielsweise einen zweiminütigen Online-Clip um Projekte und Themen im Bereich der unternehmerischen Verantwortung kurz vorzustellen. Eine solche, eigens für den Bericht produzierte, Videobotschaft kann auch ein Zeichen für den internen Stellenwert des Nachhaltigkeitsberichts darstellen.
Datenaufbereitung & Dokumentenmanagement
Das World Wide Web bietet zahlreiche Möglichkeiten, um Datenmaterialien nach den spezifischen Interessen und Bedürfnissen unterschiedlicher Nutzergruppen darzustellen. Einige der zentralen Zielgruppen der unternehmerischen Nachhaltigkeitsberichtserstattung (z.B. Investoren, NGOs) können auf diese Weise einen spürbaren Mehrwert aus onlinebasierten Berichten ziehen – etwa wenn es um die interessensspezifische Datenaufbereitung oder die Anschlussnutzung (eigene Berechnungen) von Kennzahlen geht.
HTML-Tabellen mit Excel-Downloads
Damit Daten markiert, vergrößert und z.B. auch von Webcrawlern erfasst werden können, sollten Tabellen generell auf dem originären Online-Format basieren – nämlich HTML. Idealerweise werden dabei zu Orientierungszwecken einzelne Spalten per Mousehover farblich hervorgehoben (Beispiel: Linde CR-Report 2011). Große und schlecht lesbare Tabellen sollten zudem über eine automatische Vergrößerungsoption verfügen. Damit Stakeholder die dargestellten Daten für eigene Berechnungen nutzen können, empfiehlt sich außerdem eine Download-Option im Excel-Format [Ki08].
Interaktiver Kennzahlenvergleich
Mit einem interaktiven Kennzahlenvergleich können Stakeholder geschäfts- und nachhaltigkeitsbezogene Kennzahlen eines Unternehmens über einen längeren Zeitraum betrachten und vergleichen. Langfristige Trend-Entwicklungen und Abweichungen werden auf diese Weise transparent erfassbar. Idealerweise können Nutzer die selbst erstellten Charts zusätzlich im Grafik- und Excel-Format herunterladen (Beispiel: Wacker Nachhaltigkeitsbericht 2009/2010).
Download-Manager
„Offline-Formate“ wie PDFs und Excel-Sheets bleiben auch bei Online-Berichten unverzichtbar: Um Nutzern die Suche und Zusammenstellung dieser Dokumente zu vereinfachen, empfiehlt sich ein Download-Manager, wie er beispielsweise im Citizenship Report 2011 von Barclays zum Einsatz kommt: Hier können unterschiedliche Berichtselemente (z.B. PDF- und XLS-Dateien) über eine Warenkorb-Funktion zu einer individuellen .zip-Datei zusammengestellt werden.
Lesbarkeit & Verständlichkeit
Weil Texte im Web häufig nicht vollständig durchgelesen, sondern von den Nutzern auf relevante Inhalte „gescannt“ werden, kommt einem durchdachten Rezeptions-Konzept eine besondere Bedeutung bei. Unternehmen sollten dabei einige Schlüsselanforderungen beachten:
Web-Typografie
Mit Absätzen, Überschriften, Zwischenüberschriften, Aufzählungen und Hervorhebungen sollte man im Web gerade bei längeren Textabschnitten nicht sparsam umgehen: Sie tragen dazu bei, dass Informationen von Stakeholdern schneller erfasst und gefunden werden [BGH07].
Seitenverkürzungen
Inhalte, die wahrscheinlich nur einen Teil der Nutzer eines Berichts interessieren, können im Web besonders gut durch Seitenverkürzungen (sogenannte Akkordeons) verpackt werden (Beispiel: Heineken Sustainability Report 2011).
Glossars
Nur selten kommen Nachhaltigkeitsberichte gänzlich ohne branchenspezifische Fachbegriffe, Abkürzungen und organisationsinterne Ausdrücke aus. Werden solche Begriffe verwendet, so empfiehlt der GRI-Leitfaden den Einsatz eines Glossars [GRI06]. Online sollten Fachbegriffe dabei entweder unmittelbar per Mouseover, oder durch einen direkten Link zum Erklärungstext im Glossar erläutert werden (Beispiel: Shell Sustainability Report 2011).
Dialogorientierung
Dialogorientierung als Schlüsselelement der Nachhaltigkeitsidee lässt sich im Netz bekanntlich besonders gut umsetzen. Trotzdem sollten Unternehmen beim Ausschöpfen der jeweiligen Möglichkeiten immer den Nutzen im Auge haben: eigene Chats oder Diskussionsforen haben im Nachhaltigkeitsbericht nichts verloren.
Social sharing
Die Kommunikation über Nachhaltigkeitsberichte findet überwiegend nicht auf dem eigenen Angebot, sondern auf externen Plattformen statt (z.B. Twitter, Facebook, CSR-Portalen). Wichtig ist deshalb, dass die Weiterverbreitung von Inhalten über Social-sharing-Optionen direkt im Bericht ermöglicht wird (Beispiel: Henkel Nachhaltigkeitsbericht 2011).
Feedback und Evaluation
Feedback-Formulare in Nachhaltigkeitsberichten werden üblicherweise eher selten genutzt, was aber nichts an ihrer Sinnhaftigkeit ändert: Entscheidend ist, dass Nutzer ihre Meinung möglichst ohne großen Aufwand über prominent eingebettete Formulare oder einfache Poll-Optionen mitteilen können.
Es empfiehlt sich zudem, keine allgemeinen (Wie gefällt Ihnen der Bericht?), sondern konkrete Fragestellungen zu einzelnen Berichtsteilen zu formulieren. Die Deutsche Telekom hat dies in ihrem Corporate Responsibility Bericht 2011 sehr gut umgesetzt, wenn Fragen thematisch passend – zum Klimaschutz oder Ergänzungswünschen zum Kennzahlenvergleich – formuliert werden. Sehr transparent wird mit Ideen und Feedback zudem im Online-Nachhaltigkeitsbericht von SAP umgegangen: Nutzer haben hier die Möglichkeit, die für sie individuell relevanten Themenbereiche in puncto Nachhaltigkeit zu bestimmen – die Ergebnisse werden anschließend online wiedergegeben.
Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme
Gute Nachhaltigkeitsberichte laden zur Kontaktaufnahme mit einem Unternehmen ein und stellen idealerweise spezifische Ansprechpartner für unterschiedliche Stakeholdergruppen und Themen (z.B. Unternehmensentwicklung, CSR, Umwelt etc.) vor [GG11]. Idealerweise werden neben der Angabe aller nötigen Kontaktdaten auch die jeweiligen Ansprechpartner persönlich vorgestellt.
Dieser Beitrag ist Teil unserer Research-Reihe “Nachhaltigkeitsberichterstattung im Internet”:
Teil 1: In aller Kürze: Was ist ein Nachhaltigkeitsbericht?
Teil 2: Motive der Nachhaltigkeitsberichterstattung
Teil 3: Vorteile von Online-Nachhaltigkeitsberichten
Teil 4: Onlinespezifische Anforderungen an Nachhaltigkeitsberichte
Teil 5: Usability von Online-Nachhaltigkeitsberichten
Quellen:
[BGH07] Blanke, Moritz/Godemann, Jasmin/Herzig, Christian (2007): Internetgestützte Nachhaltigkeitsberichterstattung. Eine empirische Untersuchung der Unternehmen des DAX30. Online unter: http://www.leuphana.de/fileadmin/user_upload/Forschungseinrichtungen/infu/files/pdf/infu-reihe/36_07.pdf [10.04.2012].
[GG11] Gebauer, Jana/Glahe, Julia (2011): Praxis der Nachhaltigkeitsberichterstattung in deutschen Großunternehmen. Befragungsergebnisse im Rahmen des IÖW/future-Rankings 2011. Online unter: http://www.ranking-nachhaltigkeitsberichte.de/data/ranking/user_upload/konzerne/Ranking_2011/I%C3%96W-future_Ranking_2011_Gro%C3%9Funternehmen.pdf [10.04.2012].
[GH11] Gebauer, Jana/Hoffmann, Esther/Westermann, Udo (2011): Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung: Kriterien und Bewertungsmethode im IÖW/future-Ranking. Online unter: http://www.ranking-nachhaltigkeitsberichte.de/data/ranking/user_upload/pdf/Ranking_2011_Kriterienset_Gro%C3%9Funternehmen.pdf
[GRI06] Global Reporting Initiative (2006): Leitfaden zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Online unter: https://www.globalreporting.org/resourcelibrary/German-G3-Reporting-Guidelines.pdf [10.04.2012]
[Ki08] Kim, Kicheol (2008): Interaktive Nachhaltigkeitsberichterstattung im Internet – Konzept und Bestandsaufnahme der Global-Fortune-500-Unternehmen. In: Isenmann, Ralf/Gómez, jorge (Hrsg.): Internetbasierte Nachhaltigkeitsberichterstattung. Maßgeschneiderte Stakeholder Kommunikation mit IT. Berlin: Erich Schmidt Verlag. S. 355-370.