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Alexandra Grobe spricht über die Herausforderungen bei der Übersetzung von Geschäftsberichten.

Alexandra Grobe

Die Übersetzung zählt zu den heikelsten und oftmals zeitkritischsten Schritten bei der Erstellung eines Geschäftsberichts. Fehler können im schlimmsten Fall sogar rechtliche Folgen nach sich ziehen. Neben der inhaltlichen Korrektheit sollten einige Unternehmen aber auch die sprachliche Qualität ihrer englischen Berichte stärker fokussieren, sagt Alexandra Grobe von EnglishBusiness. Mit uns sprach sie über die Anforderungen an englische Geschäftsberichte, das Handwerkszeug von Übersetzern und erklärt, woran man eine schlechte Übersetzung erkennt.

Interview

Was sind die wesentlichen Herausforderungen bei der Übersetzung von Geschäftsberichten?

Grobe: Die Zeit ist meist der wesentliche Knackpunkt. In den letzten Jahren haben Unternehmen die Zeitschraube immer weiter angezogen. Für die Übersetzung eines DAX-Berichts bleiben uns inklusive Korrekturschleifen oftmals nur drei Wochen. Das waren vor 5 Jahren noch drei Monate. Gleichzeitig sind die Qualitätsanforderungen an die englische Sprachversion gestiegen, wobei die Unternehmen alles versuchen, um die Kosten für die Übersetzung möglichst gering zu halten.

Also mehr Qualität in kürzerer Zeit für weniger Kosten? Wie lässt sich das vereinbaren?

Grobe: Durch perfekte Planung, viel Erfahrung und vor allem einen funktionierenden Prozess. In prozessualer Hinsicht führt beispielsweise an Systemen für die computergestützte Übersetzung kein Weg mehr vorbei. Translation-Memory-Systeme und ihre Terminologie-Datenbanken ermöglichen uns auf früheren Übersetzungen aufzubauen und bestimmte Begrifflichkeiten sowie die Unternehmenssprache einfacher und konsistenter zu integrieren. Um den Geschäftsbericht in einem ambitionierten Zeitplan zu übersetzen, ist es außerdem besonders wichtig, dass wir Teil des Reporting-Teams werden. Wir müssen in den kompletten Berichtsprozess integriert und über Änderungen an den Plänen und Inhalten zeitnah informiert werden, damit wir den Bericht gemeinsam, als ein großes Team, wuppen können.

Was unterscheidet einen Geschäftsberichts-Übersetzer von seinen Berufsgenossen?

Grobe: Geschäftsberichts-Übersetzer müssen dasselbe Handwerkszeug wie klassische Übersetzer mitbringen, ein gutes Sprachgefühl besitzen, penibel sein und zielgruppenspezifisch übersetzen können. Sie unterscheiden sich aber durch ihren Erfahrungshorizont. Wir beschäftigen in der Regel muttersprachliche Übersetzer mit einem Finanzhintergrund, die früher beispielsweise als Banker oder Wirtschaftsprüfer gearbeitet haben. Sie haben ein hohes Verständnis für die Fachsprache in der Finanzkommunikation und sind permanent über die aktuelle Terminologie relevanter Reporting-Standards informiert. Übersetzer müssen beispielsweise mit HGB sowie IFRS und vor allem den sprachlichen Unterschieden zwischen beiden Standards bestens vertraut sein und dürfen bei all dem Fachvokabular die Zielgruppen – auch in Bezug auf Kulturalität – nicht aus den Augen verlieren. 2009 wurden von der IASB beispielsweise die Überschriften und Inhalte der verschiedenen Statements geändert. In dem Zuge wurde unter anderem die Bilanz von „Balance Sheet“ auf „Statement of Financial Position“ umbenannt. Solche Änderungen dürfen an einem Übersetzer natürlich nicht vorbeigehen.

Eine Studie hat kürzlich gezeigt, dass englische Übersetzungen deutscher Geschäftsberichte sogar leichter lesbar sind als die muttersprachlichen Berichte. Würden Sie das unterstreichen?

Grobe: Aus meiner Sicht muss das sogar Ziel jeder englischen Übersetzung eines deutschen Geschäftsberichts sein. Immerhin spricht zwar der Großteil der Financial Community Englisch, jedoch nicht unbedingt als Muttersprache. Eine einfache, pragmatische Sprache ist vor diesem Hintergrund nichts anderes als zielgruppenorientiert.

Wie beurteilen Sie die sprachliche Qualität der englischen Berichte im deutschen Leitindex?

Grobe: Die englische Übersetzung hat noch nicht bei allen DAX-Konzernen den Stellenwert, der ihr aus meiner Sicht beigemessen werden sollte. Man muss sich bewusst machen, dass ausländische Investoren die klare Mehrheit der Anteile an DAX-Unternehmen halten. Will man zielgruppenorientiert berichten, müssen die Ansprüche an die sprachliche Qualität der englischen Übersetzung genau so hoch wie beim deutschen Bericht sein. So weit sind aber nur wenige Konzerne.

Wie erkennt man einen schlecht übersetzten Geschäftsbericht?

Grobe: An sprachlichen Inkonsistenzen in der Terminologie und der allgemeinen Schreibweise. Oft stimmen etwa die Begrifflichkeiten in den Headlines oder Tabellen nicht mit denen im Fließtext überein und nicht selten wird auch in unterschiedlichen Berichtsteilen ein anderes Wording verwendet. Zum Beispiel halten viele Berichte die IFRS-Terminologie nicht durchgängig ein oder verwenden unterschiedliche Übersetzungen für Fachbegriffe. Das stiftet Verwirrung beim Leser und kann schlimmstenfalls zu Fehlinterpretationen führen. Ich stoße in Geschäftsberichten immer wieder auf Beispiele für holprige Übersetzungen und Denglisch. Gute Übersetzer müssen nun mal Muttersprachler sein. Auch die Vermischung von British und American English – wenn nicht explizit gewünscht in Ausnahmefällen – zählt zu den klassischen Inkonsistenzen in Geschäftsberichten.

Interview: Eloy Barrantes

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