Geschäftsbericht als Web-PDF.

Die meisten PDFs von Geschäftsberichten werden am Bildschirm rezipiert, wurden aber nie dafür gestaltet.

Web-PDFs

Nicht nur bei Google, sondern auch im Reporting ist das PDF so etwas wie eine allgegenwärtige Religion: von den 800 größten börsennotierten Unternehmen in Europa veröffentlichen nach einer Studie der Message Group immerhin satte 97 Prozent ihren Geschäftsbericht – neben anderen Formaten – auch als PDF im Netz. Der Stellenwert des PDFs kommt dabei nicht von ungefähr: gerade Analysten und institutionelle Investoren bevorzugen das PDF häufig als Format. Viele wichtige Stakeholder nutzen die Vorteile des statischen Portable Document Format, das sich einfach ablegen und archivieren lässt.

Das Problem mit Print-PDFs

Trotz dieser Relevanz werden PDFs im Medienmix konzeptionell und gestalterisch ganz klar vernachlässigt. Die meisten Unternehmen ignorieren, dass das PDF kein Druck- sondern primär ein Digitalformat ist. Die wenigsten Stakeholder laden sich das PDF eines Berichts herunter, um dieses dann auszudrucken. PDFs werden überwiegend am Bildschirm genutzt, sind aber für diesen Nutzungszweck leider nicht konzipiert. In den allermeisten Fällen ist das in InDesign erstellte Layout eines Druckwerks die 1:1-Ausgangsbasis für das PDF. Dabei funktionieren Druckwerke bekanntlich gänzlich anderes als digitale Medien – hochformatige Seiten, Zweispaltigkeit, doppelseitige Fotostrecken, Serifenfonts etc. sind am Bildschirm nur sehr bedingt sinnvoll.

Beispiel 1: Die Deutsche Telekom hat in diesem Jahr beispielsweise einen besonders aufwändigen und kreativen Print-Bericht veröffentlicht. Vor dem eigentlichen Cover – das ein großes “A” für “Antworten für die digitale Zukunft” zeigt – sind in weißen gestanzten Buchstaben verschiedene Fragen platziert, die der Leser im Print-Bericht zuerst wegblättern muss. Eine eigentlich schöne Idee, die aber leider nicht für das PDF funktioniert. Auch die vielen doppelseitigen Tabellen, Text- und Bildstrecken sind nicht für die Darstellung im PDF optimiert: PDFs werden meistens einseitig genutzt. Letztlich kommt noch die Download-Größe von rund 20 MB hinzu – kein großes Problem für die meisten PCs im Büro, wohl aber für mobile Verbindungen unterwegs.

telekom

Beispiel 2: Das PDF im Geschäftsbericht von Siemens zeigt ein weiteres klassisches Darstellungsproblem von Print-PDFs. In der Darstellung im A4-Hochformat muss man i.d.R. zoomen, um den in Geschäftsberichten häufig sehr kleinen Text zu lesen. Im Zoom unterstützt die Zweispaltigkeit allerdings nicht mehr den Lesefluss, da man nicht einfach mit dem Auge von der einen in die nächste Spalte springen kann, sondern jedes Mal wieder nach oben scrollen muss.

siemens

Webgerechte PDFs

Es gibt einige wenige Unternehmen, die das PDF ihres Geschäftsberichts stückweise für die Darstellung am Bildschirm optimieren.

Beispiel 3: Im Geschäftsbericht 2015 von Bayer werden z.B. doppelseitige Tabellen oder Fotos nicht wie üblich auf zwei A4-Seiten nacheinander abgebildet, sondern auf einer querformatigen A4-Seite zusammengefasst. Im PDF ist der Inhalt so auf einen Blick sichtbar und kann auf einer einzelnen Seite ausgedruckt werden.

Beispiel 4: Einen Schritt weiter geht Ahold im Geschäftsbericht 2015. Hier ist bereits das komplette PDF im Querformat für die Darstellung am Bildschirm ausgerichtet und vollständig verlinkt. Eine Top-Navigation erleichtert dabei auch das Navigieren im PDF und zwischen den Kapiteln. Nur die bis zu vierspaltigen Inhaltsseiten sind mit kleinen Schriften, schlechtem Kontrast und keiner durchdachten Leseführung leider weniger leserfreundlich am Bildschirm.

ahold

Beispiel 5: Im direkten Vergleich gefallen uns die Inhaltsseiten in Beiersdorfs PDF vom Sustainability Review 2015. Für dieses ebenfalls querformatige PDF wurden Schriftgrößen und Kontraste gewählt, die eine Rezeption der Inhalte ohne zoomen ermöglichen. Auch dieses PDF enthält zusätzliche Navigationselemente.

beiersdorf

Kein Umweg über InDesign

Um Berichts-PDFs für Bildschirme zu optimieren, sollte man also aufhören, im Print-Format zu denken. Es kann helfen, wenn man in diesem Zuge gleich auf Layout- und Satzprogramme wie Adobe InDesign verzichtet, die primär für die Gestaltung von Druckwerken (Berichte, Flyer, Broschüren etc.) entwickelt wurden. Mit Online First haben wir bei nexxar eine Publikationslösung entwickelt, die das PDF automatisch aus den Inhalten des Online-Berichts (genauer: dem Content Management System) generiert – nicht nur die Inhalte, sondern auch sämtliche Hyperlinks bleiben dabei erhalten. PDF und Online-Bericht basieren zudem immer auf der gleichen Datenquelle und müssen nicht separat bearbeitet werden.

PDF ohne Indesign

Der Prozess der PDF-Generierung dauert nur etwa eine Minute und kann grob in drei Schritte unterteilt werden: assemble, layout und enrich. Im ersten Schritt (assemble) werden die Inhalte aus dem CMS geladen und die Struktur des PDF-Dokuments bestimmt. Die Struktur kann sich nach Belieben von der Struktur des Online-Berichts unterscheiden. Es ist beispielsweise möglich, das Impressum sowohl am Anfang oder am Ende des PDFs zu platzieren. Im zweiten Schritt (layout) wird das Design des PDFs auf Basis zuvor definierter Einstellungen bestimmt. Hier werden beispielsweise das Seitenformat (Quer- oder Hochformat), Seitenabstände, Spalten, Schriftarten, Zeichenabstände etc. bestimmt. Sämtliche Stile können für das PDF eigens definiert werden und müssen nicht mit den Stilen im Online-Bericht korrespondieren. So ist es etwa problemlos möglich, dass im Online-Bericht eine serifenlose Schriftart, im PDF aber eine Serifenfont verwendet wird. Im letzten Schritt (enrich) werden dann noch die Querverweise erstellt und interaktive Elemente hinzugefügt. Beispiele dafür sind eine Kapitel-Navigation für das PDF, das Inhaltsverzeichnis und die entsprechend berechneten Seitenzahlen. Jeder interne Link kann für das PDF außerdem mit einer Seitenzahl-Referenz ausgestattet werden.

Mehr dazu lesen Sie auch in unserer Case Study zum HHLA-Geschäftsbericht 2015.

Checkliste: Web-PDFs

Egal, wie sehr man PDFs für den Bildschirm optimiert, in puncto Darstellung, Multimedialität, Accessibility und Usability sind sie im Vergleich zu Online-Berichten an eindeutige Grenzen gebunden. Wie gezeigt gibt es aber trotzdem einige einfache Möglichkeiten, um die Inhaltsdarstellung in PDFs für die Nutzung am Bildschirm zu optimieren. Es wäre insgesamt sinnvoll, PDFs künftig nicht mehr streng auf Basis des Print-Styleguides zu erstellen, sondern einen eigenen Styleguide für Web-PDFs zu entwickeln, der Spezifika der digitalen Informationsgestaltung berücksichtigt. Konzeptionell sollten sich Unternehmen dabei vor allem folgende Fragen stellen:

  • Ist das Inhaltsverzeichnis des Berichts im PDF verlinkt?
  • Werden alle Kapitel und Unterkapitel auch in den PDF-Bookmarks abgebildet?
  • Verfügt das PDF über eine Form der permanent sichtbaren Kapitel-Navigation?
  • Kann man Texte, Grafiken und Tabellen im PDF einwandfrei lesen, ohne zu zoomen?
  • Eignen sich die Print-Styleguides (Schriften, Satz etc.) auch für das PDF, oder stehen sie im Gegensatz zu einer optimalen Lesbarkeit?
  • Sind die Kontraste so gewählt, dass man die Inhalte auch auf hellen Displays gut erfassen kann?
  • Werden doppelseitige Tabellen und Fotos im A4-Querformat dargestellt?
  • Könnte man das PDF für den Bildschirm evtl. vollständig im Querformat anlegen (Best Practice)?
  • Wird im PDF auf Seitenhintergründe verzichtet, damit Kontraste optimiert und beim Druck der Toner geschont werden?
  • Werden Seitenverweise im PDF durch Links ersetzt?
  • Ist die Dateigröße angemessen für den Download auf mobile Endgeräte (idealerweise unter 5 MB)?
roundtable

Round Table Recap

Rund zwanzig Reporting-Experten aus vier Ländern trafen sich am 25. und 26. August zum ersten Round Table “Digitale Berichterstattung” in Wien. In diesem Beitrag haben wir die wichtigsten Erkenntnisse der Session “Web-PDFs” zusammengefasst.

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